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Wissenschaftsbeitrag: Geospatial Artificial Intelligence

Abbildung 1: Resultate einer Agenten-basierten Simulation zur Energietransition in der Stadt Gleisdorf. Links ist der Heizenergiebedarf für 2018 (oben) und 2050 (unten), sowie der CO2 Ausstoss 2018 (oben) und 2050 (unten) zu sehen. Quelle: Stanzel (2019), Stanzel et al. (2019). Abbildung 2: Auszug aus einer Ontologie für Supply Chain Visibility (Dopler und Scholz, 2021), die als Basis für einen Knowledge-driven räumlichen Analyseansatz für Supply Chains dient.

Geospatial Artificial Intelligence und Geoinformatik – neue Paradigmen in der räumlichen Analyse

Der Begriff Geospatial Artificial Intelligence (GeoAI) beschäftigt uns in der wissenschaftlichen Community der GIScience schon seit einigen Jahren, was zahlreiche Publikationen sowie Workshops und Konferenztracks zeigen. Der Begriff GeoAI ist ein Baustein der Spatial Data Science und versucht mit Hilfe von neuen Methoden, Algorithmen und datengetriebenen Technologien intelligentere geographische Informationen zu erzeugen (Janowicz et al., 2019). GeoAI umfasst Methoden, die sich mit hochentwickelten Computerlösungen für die Analyse von dynamischen geographischen Phänomenen beschäftigen. Die rasante Ent­wicklung im Bereich GeoAI wird durch die Entwicklungen im Bereich Big Data, Hardware (z. B.: GPU) und High-performance Computing, die dabei helfen, AI-Modelle zu entwickeln, trainieren und auszurollen, befeuert. Theoretische Grundlagen für GeoAI sind u. a. Artificial Neural Networks, Ontologien & Semantik, Geospatial Knowledge Graphs, Machine Learning und Deep Learning. Da diese Technologien – insbesondere Machine Learning und Deep Learning – nicht speziell für die Beantwortung geographischer Fragestellungen entwickelt worden sind, bedarf es hier zusätzlichen Forschungsaufwand, um diese Methodiken um die räumliche Dimension zu „erweitern“. 

In diesem Artikel werden wir den Themenkomplex GeoAI anhand von mehreren Beispielen beleuchten. Dabei handelt es sich um Forschungsprojekte, die bei der Forschungsgruppe Geoinformatik des Instituts für Geodäsie der TU Graz, gemeinsam mit einer Reihe von nationalen und internationalen Partnerinstitutionen, gerade bearbeitet werden. 

Nachhaltiger Tourismus

Das Projekt Data-driven Tourism for Sustainability (www.project-dts.eu) wendet AI und Simulationsmethoden an, um Tou­ristenströme zu modellieren und simulieren. Hierbei wird eine Vielzahl räumlicher Daten – Mobilitätsdaten, Mobilfunkdaten, Nächtigungsdaten etc. – mit Hilfe von GeoAI analysiert, um das Verhalten und die Interaktionen von TouristInnen, abzuleiten. Dieses Verhalten wird in eine räumlichen Agenten-basierende Simulation implementiert. Diese kann Entscheidungsträgern dabei helfen, Lenkungsmaßnahmen von Touristenströmen an einem digitalen Zwilling auszutesten. 

Potentiale für Photovoltaik-Anlagen

Im Bereich erneuerbarer Energie und Energiewende wird GeoAI eingesetzt, um komplexe Analyseprozesse mit künstlicher Intelligenz zu unterstützen. In dem Projekt PV4EAG wird – gemeinsam mit einem nationalen Konsortium – eine Methodik zur Auffindung von Photovoltaik-Eignungsgebieten, basierend auf Geodaten, entwickelt. Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz wurde 2021 im Parlament beschlossen, mit dem Ziel, bis 2030 die jährliche Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien unter Beachtung strenger ökologischer Kriterien um 27 Terrawattstunden zu steigern – wobei 10 TWh aus PV kommen sollen. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, ist es notwendig, neben den Dachflächen auch andere Flächen oder PV-Arten zu evaluieren. Im Speziellen sieht das Projekt vor, vertikale PV auf Fassaden, entlang von Autobahnen/Zugstrecken (auf Lärmschutzwänden), PV auf speziellen landwirtschaftlichen Böden (i.e. Grenzertragsböden) oder Kulturen (z. B.: transluzentes PV über Obst- oder Weinkulturen zum Hagel- und Frostschutz) oder PV als Überdachung von Parkflächen mit Hilfe räumlicher Daten und AI zu analysieren. Die Expertise von ExpertInnen in dem Bereich wird dazu verwendet, um räumliche supervised ML Algorithmen zu trainieren, sodass Eignungsgebiete und Aus­schlussgebiete für PV (für die oben genannten Typen) möglichst automatisiert gefunden werden können. In diesem Kontext ist auch die Knowledge-driven GeoAI zum Auffinden der Eignungsflächen Forschungsgegenstand. Geographic Knowledge Graphs (GeoKGs) – wie der KnowWhere Graph (Janowicz et al., 2022) – dienen dazu, abstraktes Wissen (Semantik) und Daten gemeinsam in einer Graphenstruktur (i.e. Knoten und Kan­ten) abzuspeichern (siehe Abbildung 2 für den Einsatzzweck von Supply Chain Analyse). Dies ermöglicht neuartige Analysemöglichkeiten, die die geographische/räumliche Dimension mit der semantischen Dimension vereinen sowie die schnellere Integration von unterschiedlichen Datensätzen. Zudem entfallen bei der Speicherung in einer Graphenstruktur jegliche Join-Operationen, die die Performance von objekt-relationalen Datenbanken negativ beeinflussen. 

Unterstützung bei Entscheidungsfindung

Auch im Bereich der räumlichen Entscheidungsunterstütz­ung für die private Heizenergieversorgung kann die GeoAI eine Rolle spielen. Im Projekt „ABM4EnergyTransition“ werden Public Policies auf deren Wirkung bei der Auswahl und dem Austausch privater Heizungssysteme untersucht – konkret wie sich Förderprogramme auf den CO2-Fußabdruck der privaten Heizungen auswirken. Aufgrund einer breit angelegten Studie wird das Verhalten in Bezug auf die Auswahl des Heizungssystems von Hauseigentümern bei der Renovierung und beim Neubau untersucht. Solche Entscheidungen haben eine Reihe von räumlichen Parametern, wie z. B. Lage zu einem Fernwäme-/Gasnetz, Nachbarschaftseffekte, sozio-demographischer Kontext, die relevant sind. 

Auch existieren nicht-räumliche Parameter, die in dieser Studie erfasst werden, wie bestehendes Heizungssystem, Hausalter, Renovierungsstand oder Förderprogramme. Diese Parameter und Verhaltensweisen werden in räumlichen Agen­ten-basierenden Modellen implementiert, sodass Entscheidungsträger regional unterschiedliche Maßnahmen/Policies simulieren und damit die mögliche erzielbare Reduktion der Treibhausgase ermitteln (siehe Abbildung 1). Dies trägt dazu bei, öffentliches Steuergeld für die Energiewende effizient einzusetzen und den größtmöglichen Beitrag zur Klimaneutralität zu erreichen. 

Katastrophenschutz

Die Methoden der GeoAI können auch bei komplexen Frage­stellungen im Bereich des Katastrophenschutzes eingesetzt werden. Gemeinsam mit einem nationalen Konsortium unter der Leitung der BOKU (Institut für Waldbau) werden Causal Machine Learning Ansätze für die Vulnerabilitätsabschätz­ung für Waldbrände im Projekt „IGNITE“ untersucht. Machine Learning Algorithmen helfen beim Auffinden von Korrelationen, tun sich jedoch beim Detektieren von Kausalitäten relativ schwer. Durch die Integration von kausalen Schlussfolgerungen (causal inferencing) sind ML Algorithmen in der Lage, auch Kausalitätsketten und logische Schlussfolgerungen liefern – anstatt Ergebnisse von „Black Boxes“. Dies erleichtert die Nachvollzieh­barkeit und Reproduzierbarkeit von Ergebnissen. Im Projekt versucht die TU Graz, räumliche Aspekte mit Causal ML zu verknüpfen, um eine treffsicherere geographische, feingranulare Aussage über die aktuelle Waldbrandgefahr datengetrieben berechnen zu können. 

Fazit

Schlussfolgernd kann erwähnt werden, dass die GeoAI vor allem in Zusammenhang mit Knowlegde-driven Ansätzen und Agenten-basierender Simulation eine Veränderung der „klassischen“ räumlichen Analyse mit sich bringt. Per se werden intensivere Informatikkenntnisse und -fähigkeiten notwendig sein, um das volle Potential dieser Methodiken ausnützen zu können. Dennoch erscheint aus heutiger Sicht der Zugewinn an Funktionalitäten der räumlichen Analyse durch GeoAI ein weiterer großer Entwicklungsschritt zu sein.

Johannes Scholz, Assoc. Prof. DI(FH) Dr. techn. 
Institute of Geodesy | Head of Research Group Geoinformation, Graz University of Technology


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